Digitale Logistik für Amazon Seller – Das Modell der Zukunft?
In vielen Bereichen des täglichen Lebens hinkt Deutschland der weltweiten Digitalisierung weit hinterher. Besonders bekannt dafür ist die Arbeit von Behörden. Aber auch private Firmen, wie beispielsweise Speditionen, halten noch immer an altbewährten Prozessen fest und wagen nicht den Schritt in digitale Arbeitsprozesse. Dass dies aber besonders im Bereich Logistik und Spedition funktionieren kann, zeigt die Firma Forto (ehemals Freighthub).
Forto bezeichnet sich selbst als erste Digitalspedition Deutschlands und betreut neben Groß- und Mittelstandskunden vor allem eins – Seller aus dem Online-Handel.
Yvan Byishimo ist Leiter des Fachbereichs E-Commerce bei Forto. Genau wie viele Logistikunternehmen organisiert Forto den Transport von Gütern – von Stadt zu Stadt per LKW oder interkontinental per Schiff, Zug oder Flugzeug. Nur die Art der Organisation ist anders.
Auf Yvans Schreibtisch sucht man vergebens nach Zolldokumenten, Packing Lists oder Auftragsbestätigungen. Alles, was er und seine Kunden brauchen, befindet sich digital auf Servern. Posteingangsstempel und Faxgeräte – Relikte des vergangenen Jahrhunderts!
Was die wichtigsten Punkte bei der Organisation der Logistik sind und was es alles zu beachten gilt, hat er Michael Hecker im Interview erklärt.
Mit Papierkram geht es los – Die wichtigsten Dokumente für den Import in die EU
Um überhaupt Ware außerhalb der Europäischen Union herstellen und in die EU importieren zu können, sind einige Dokumente essenziell.
Umsatzsteuer-ID
Das erste, um das man sich kümmern sollte, ist die Umsatzsteuer-ID.
Yvan bekommt häufig mit, dass kleinere Händler glauben, diese nicht zu benötigen. Doch um in die EU importieren zu dürfen, ist diese Nummer eine Grundlage.
EORI-Nummer
Die „Economic Operators´ Registration and Identification“ (kurz: EORI) kann man auch als eine Art Kundennummer beim Zoll verstehen. Diese Nummer dient der Identifizierung und soll die Abfertigung des Zolls verbessern und erleichtern.
Die Beantragung dieser beiden Kennungen kann jeweils bis zu sechs Wochen dauern. Diese Zeit sollte bei der Planung also mit einberechnet werden. Hat der Händler die beiden Baustellen abgehakt, ist der Papierkram jedoch noch nicht vorbei. Für die Organisation des tatsächlichen Imports sind noch zwei weitere Dokumente sehr wichtig.
Packing List
Eine Packing List sagt aus, was sich in der Fracht befindet, wie viele Kartons enthalten sind, welche Maße diese Kartons haben, welches Nettogewicht die Ware hat und einiges mehr.
Handelsrechnung
Auf der Handelsrechnung (Englisch: Commercial Invoice) wird angegeben, wie teuer das verschickte Produkt ist. Anhand dieses Dokuments wird die Verzollung durchgeführt und die Zollabgaben sowie die Umsatzsteuer berechnet.
Tipp von Yvan: Eine Zollvollmacht für den Spediteur nimmt dem Händler eine große Last von den Schultern und minimiert den Stressfaktor, da die Zollabwicklung direkt von der Spedition übernommen wird.
Transparenz, Geschwindigkeit, Preis – Die drei Hauptthemen in der Logistik
Wo befindet sich der Container? Wie schnell landet die Ware im Amazon Lager? Was kostet der Spaß?
Drei Fragen, die sich jeder Seller und jeder Logistiker tagtäglich stellt. Der Preis variiert von Spedition zu Spedition und ist immer von äußeren Gegebenheiten abhängig, die auch die Geschwindigkeit beeinträchtigen können – beispielsweise die interne Organisation des Speditionsunternehmens oder eine Zollbeschauung.
Muss der Händler erst mehrere Tage auf das Angebot der Spedition warten, entgeht ihm wertvolle Zeit. Erhält er aber innerhalb weniger Sekunden sein Angebot und kann sich schnell über die Transportarten entscheiden, kann ihm das einen wertvollen Wettbewerbsvorteil einbringen.
Ist die Ware unterwegs, braucht der Händler eine hundertprozentige Transparenz bezüglich des Arbeitsablaufes. Angefangen beim schlichten Track & Trace.
- Wo befindet sich der Container im Moment?
- Wie liefen die einzelnen Schritte während des Transports?
- Wurden die angegebenen Zeiten eingehalten?
- Liegt eine Zollbeschauung vor?
Der Worst Case eines jeden Importeurs – Die Zollbeschauung
Bei einer Zollbeschauung nimmt sich der Zoll das Recht vor, die Ware, die in die EU eingeführt wird, noch einmal auf Menge und/oder Beschaffenheit zu kontrollieren.
Das kann auf verschiedene Weisen passieren. Durch einfaches Öffnen des Containers bis zum Herausnehmen eines einzelnen Produkts und der Überprüfung mit Hilfe eines Labors. Sollte der letzte und schlimmste Fall eintreten, bleibt die restliche Ware solang am Hafen liegen und darf erst weiter verschifft werden, wenn das Produkt für Okay befunden wurde. Die Lagerkosten während dieser Beschauung werden vom Händler getragen.
Um diese Wartezeiten so kurz und einhergehende Kosten so gering wie möglich zu halten, ist eine direkte Vernetzung mit dem Zollamt ein wichtiger Punkt bei der Wahl des richtigen Speditionsunternehmens. Fehlen eventuell nur wichtige Dokumente, die nachgereicht werden müssen, können Händler und Logistiker durch die Integration beim Zoll schnell reagieren und die Ware vom Hafen ins Lager liefern lassen.
Die Kosten, die durch das Lagern der Ware am Hafen entstehen, nennt der Logistiker Demurage Fees. Diese Kosten werden mit dem Händler in der Regel vorab besprochen und im Preis integriert. Beispielsweise kann die Ware sieben Tage lang am Hafen liegenbleiben, ohne dass der Spediteur einen Aufpreis verlangt. Erst nach Ablauf dieser Zeit werden die einzelnen Lagertage berechnet.
Wer regelt was? – Der Umgang mit den Handelsklauseln
International Commercial Terms, kurz Incoterms, sind Handelsklauseln, die im internationalen Versand die Aufgabenverteilung zwischen Käufer und Verkäufer regeln. Die üblichen 13 Klauseln sagen im Prinzip nichts anderes aus, welche Partei bei den verschiedenen Schritten des Versands die jeweilige Verantwortung trägt.
Jedem Händler ist es auch möglich, mit seinem Hersteller in Asien die eigenen Incoterms für den folgenden Versand auszuwählen. Wichtig ist nur, dass der ausgewählte Incoterm auf der Handelsrechnung steht. Ist das nicht der Fall, hat man im Falle von Kontrollen oder Problemen keinen Beweis dafür, dass man für bestimmte Schritte die Verantwortung trägt und für andere nicht.
FOB und Ex Works – Die wichtigsten Incoterms für Deutschland
Haben Hersteller und Händler „Ex-Works“ vereinbart, holt sein Speditionsunternehmen die Ware direkt beim Hersteller ab und wickelt den kompletten Transport von da an ab.
Fiel seine Wahl auf FOB, bringt der Hersteller die Ware direkt zum Hafen. Erst ab diesem Punkt übernimmt das Speditionsunternehmen des Händlers und trägt auch erst dann die Verantwortung für den Transport. Der Hersteller muss sich dementsprechend auch um alle Kosten, die bis zur Ankunft am Hafen entstehen selbst kümmern, kann und wird sie aber dem Händler mit auf die Handelsrechnung schreiben.
Viele Wege führen ins Lager
Möchte man nun seine frisch produzierte Ware aus Asien nach Deutschland verschicken lassen, gibt es vier Möglichkeiten dies zu tun.
- Die Seefracht: Ist die günstigste, aber auch die langsamste Alternative. Ein Schiff ist eben nicht so schnell unterwegs wie ein Flugzeug. Bei der Seefracht unterscheidet man zwischen
LCL (Less-than-Container-Load; Deutsch: Container-Teilladung) und
FCL (Full-Container-Load; Deutsch: volle Container Ladung)
Man kann wählen zwischen 20 Fuß Containern, mit einem Fassungsvermögen von 33 qm und 40 Fuß Containern, mit 66 qm und höherem Fassungsvermögen.
- Die Luftfracht: Ist das Gegenstück zur Seefracht und somit die schnellste, aber auch teuerste Versandvariante. Auch innerhalb der Luftfracht gibt es einige Unterschiede. Man kann die „normale Luftfracht“ wählen, mit der auch Unternehmen wie UPS oder DHL arbeiten und das zu transportierende Warengewicht bei 60-100 Kilogramm beginnt.
Oder man wählt die Express Lieferung, wofür es spezialisierte Lieferdienste gibt, die auch kleinere Mengen aus Asien nach Deutschland transportieren. Diese Spezialfirmen haben besondere Vereinbarungen mit dem Zoll und sollten daher immer aufgesucht werden, wenn man nur kleine Mengen importieren möchte. - Die Kombination aus See- und Luftfracht: Die Kombination kann genutzt werden, wenn man es nicht sehr eilig hat und die hohen Kosten der Luftfrachtraten in China umgehen möchte. Bei dieser Variante verschickt man seine Ware erst per Schiff nach bspw. Singapur und steigt dort aufs Flugzeug um. Bei der Kombination ist aber darauf zu achten, welches Gewicht die Artikel auf die Waage bringen. Bei schweren Produkten könnten die Kosten für den Flug zu hoch sein und sich dieser Transportweg somit nicht mehr lohnen. Die Lieferzeit bei der Kombination kann sich bis auf 22 Tage strecken.
Wenn es aber nicht schnell gehen muss und die Warenfüllmenge mindestens 3 qm beträgt, kann die Kombinationsvariante durchaus eine geeignete Alternative sein. - Die Zugfracht: Die Zugfracht ist im Gegensatz zu den anderen Varianten sehr unflexibel und benötigt ebenfalls ca. 22 Tage, um die Ware aus China nach Deutschland zu verschicken. Dabei wird die Ware aus China, über Osteuropa nach Deutschland gefahren. Ein anderer Weg ist nicht möglich. Preislich unterscheidet sich die Zugfracht nicht sonderlich von der Kombination.
Wer sich also noch nicht sicher ist, welche der vier Varianten die beste für die eigenen Ziele ist, sollte sich vorab fragen, wann man die Ware wirklich braucht.
Festtage: Fluch und Segen zugleich
Ostern, Weihnachten, Black Friday, Cyber Monday – Festtage oder spezielle Verkaufstage sind für Händler die Zeiten des großen Geschäfts. Das bedeutet aber auch, dass Ware vorhanden sein muss, um sie zu verkaufen. Und da alle kleinen und großen Händler auf diese Verkaufstage angewiesen sind, wollen auch alle zur gleichen Zeit ihre Waren importieren. Das führt zu hoher Nachfrage und viel zu kleinem Angebot im Speditionsgeschäft. Die Folge? Ein Preisanstieg. Besonders große Firmen wie Apple können die Preise in die Höhe treiben, da sie für die Vielzahl ihrer Produkte ganze Flugzeuge exklusiv für sich buchen und das Angebot für alle anderen nochmals drastisch verringern. Frühzeitiges Vorbereiten und Verschicken der eigenen Ware kann einem das Weihnachts- Oster- oder sonstiges Geschäft auf jeden Fall retten.
Ähnlich verhält es sich beim Chinese New Year.
Was für uns Silvester ist, ist für die Chinesen das Chinese New Year. Es fällt meistens auf die Zeit im Februar und dauert, anders als bei uns, eine Woche. Doch nach der Festwoche gehen die Arbeitskräfte nicht direkt wieder and die Arbeit. Manchmal kommt es vor, dass die Menschen erst nach zwei oder drei Wochen wieder an den Arbeitsplatz zurückkehren. Für Händler bedeutet das, die Ware noch vor dem Chinese New Year aus dem Land zu bekommen, da man sonst Gefahr läuft, die Produkte mehrere Wochen am chinesischen Hafen liegen zu haben. Auch hier bedeutet das einen enormen Preisanstieg – egal ob per Luft- oder Seefracht.
Fazit – Vorbereitung ist das halbe Leben in der Logistik
Die perfekte Logistikabwicklung bringt also einiges an Arbeit und Vorbereitungen mit sich. Bei allem, was es zu beachten gilt, ist die vereinfachte Handhabung dieser Organisation sicher ein Segen für jeden Amazon Seller – besonders am Anfang.
Wer diese Art von Betreuung wünscht und nichts von Papierbergen auf dem Schreibtisch hält, ist bei Yvan und Forto sicher an der richtigen Stelle. Auf ein Fax von ihm wartet man vergeblich. Er weiß auch gar nicht mehr, wie man so ein Gerät bedient.
Zur besseren Übersicht:
Zeit | Thema |
---|---|
00:00 | Intro |
00:46 | Yvan, wie bist du zu Forto und dem Thema Amazon Logistik gekommen? |
03:37 | Was macht eine klassische Spedition und was macht Ihr als digitale Spedition anders? |
07:55 | Stichwort Predictive Analytics: Wie könnt Ihr das Risiko und die Kosten einer Zollbeschau reduzieren? |
09:18 | Was sind Demurrage Kosten (Liegegeld)? |
10:50 | Was für Händler arbeiten typischerweise mit Euch? |
12:15 | Welche Formalitäten muss ich im internationalen Warenversand erledigen? |
12:22 | Formalitäten – EORI Nummer |
12:45 | Formalitäten – VAT ID / Umsatzsteuer-Identifikationsnummer |
13:41 | Formalitäten – Packing list (Packliste) |
13:43 | Formalitäten – Commercial Invoice (Handelsrechnung) |
16:46 | Formalitäten – Zollvollmacht |
17:10 | Formalitäten – Bill of Lading |
18:09 | Formalitäten – Incoterms |
19:16 | Formalitäten – Incoterms – Was bedeutet die Handelsklausel Ex Works (EXW)? |
19:32 | Formalitäten – Incoterms – Was bedeutet die Handelsklausel Free on Board (FOB)? |
22:00 | Verkehrsträger – Welche Versandmöglichkeiten gibt es? |
22:10 | Seefracht – FCL (Full Container Load) vs. LCL (Less than Container Load) |
22:36 | Luftfracht – Was ist beim Versand von Samples zu beachten? |
23:38 | Zugfracht – Wann ist Bahnfracht eine Option? |
24:03 | See- und Luftfracht – Die Kombination |
25:25 | Schwankende Logistikkosten Wie kann man das Preis-Risiko reduzieren? |
27:52 | Was sind Rollovers? |
28:21 | Stichwort: Fallstricke Welche häufigen Fehler sollten Amazon Händler vermeiden? |
34:45 | Wohin entwickelt sich der Markt? Welche Themen findest Du aktuell spannend? |
Ihr habt Fragen zur internationalen Logistik? Postet diese gerne in die Kommentare.
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