Amazon Verkäuferkonto gesperrt - Was tun? Michael Frontzek im Interview

Amazon Accountsperrung – Was tun, wenn´s passiert?

Jahr um Jahr steigt der prozentuale Anteil von Marktplätzen am E-Commerce Umsatz. Von den Top-1.000-Online-Shops in Deutschland waren im Jahr 2018 37 % zusätzlich auf eBay vertreten. Der Marktführer Amazon verzeichnete im Jahr 2019 sogar 47 %.

Doch bringt ein Seller Account nicht direkt Erfolg. Onlinemarktplätze wie Amazon haben bestimmte Regeln, an die sich jeder Seller halten muss. Passiert das nicht, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, können Accountsperrungen die Folge sein. 2018 wurden in Deutschland 250.000 Amazon Konten komplett, sowie 30.000 vorübergehend gesperrt.

Wenn der Fall der Kontosperrung eintrifft, ist Michael Frontzek und seine Beratungsfirma MiToU gefragt. Seit ca. fünf Jahren betreuen er und sein Team Amazon Seller und Vendoren bei ihrer Arbeit auf Onlinemarktplätzen. Die Aufarbeitung und Entsperrung von Accounts gehören nicht selten dazu.

Dabei muss es nicht immer die Kontosperrung per se sein. Strafsperrungen können in vielerlei Hinsicht auftreten. Manchmal ist der Account komplett gesperrt und auch ein Log-in nicht mehr möglich. In anderen Fällen kann man sich noch einloggen und teilweise sogar noch verkaufen.

Es kommt immer darauf an, was der Händler falsch gemacht hat und in wie schwer das Vergehen wiegt.

Ein Fakt, der aber für alle gilt: Es muss schnell reagiert werden, da mit jedem Tag der Accountsperrung wertvolles Geld verloren wird.

Gründe für eine Amazon Accountsperrung – Hijacking, Misuse, fehlende Rechnungen

Wenn man über Gründe der Accountsperrung spricht, fällt oft das Wort Hijacking. Doch was genau ist das überhaupt?

Hijacking im Allgemeinen heißt übersetzt „entführen“ oder „berauben“. Im Amazon Business ist es nicht so heftig, dennoch vom Prinzip her möglich. Denn das eigene Listing bei Amazon kann gewissermaßen „entführt“ werden.

Verkauft man als Amazon Seller beispielsweise Springseile unter einer eigenen Marke – mit Logo, Verpackung und allem was dazugehört, dann ist man in dem Fall der einzige, der das Produkt so verkauft und auch nur verkaufen darf. Dabei geht es nicht um gewöhnliche Handelsware, mit der man sich an das Listing von anderen Händlern hängt und in den Buybox Wettbewerb geht, sondern Artikel, die man unter einem Private Label führt.

ASIN Missbrauch ist ebenfalls verboten und Amazon ein Dorn im Auge. Amazon Händler verändern dabei bestehende Listings und nutzen diese für neue/andere Produkte. So versucht man das neue Produkt vom Ranking, der Transaktionshistorie und den Rezensionen des ursprünglichen Produkts profitieren zu lassen. Da wird aus einem Schneidebrett auf einmal eine Teigrolle. Amazon nennt das „misuse“ und sperrt Accounts, bei denen dieses Vorgehen auffliegt.

Auch das Feld der geistigen Eigentumsbeschränkungen spielen eine große Rolle, wenn es um die Amazon Accountsperrung geht. Besonders der Textilmarkt ist davon stark betroffen. Viele Händler beklagen sich darüber, dass Amazon Rechnungen von den eigenen Lieferanten einsehen möchte. Oftmals zu Unrecht fürchten Händler, dass Amazon die Lieferanten selbst für sich gewinnen möchte. Doch manchmal möchte Amazon auch nur nachvollziehen können, woher die Ware kommt. Kann man keine Rechnungen vorzeigen, werden die Betreiber des Onlinemarktplatzes natürlich hellhörig. Nicht selten erfährt man bei kurzer Nachforschung, dass der Lieferant überhaupt keine gültige Lizenzierung hat. Für Michael Frontzek ist das naiv.

„Da wundern sich die Leute. Ich habe jetzt eine Boxershorts für drei Euro eingekauft, da steht Tommy Hilfiger drauf. Verkaufe ich die mal für 30 Euro. Oh Wunder, dass ich keine richtige Rechnung habe.“

Für Amazon ein Anzeichen für Markenfälschung und ein Grund für eine Accountsperrung.

Gekaufte Rezensionen – Der Tanz auf Messers Schneide

Gekaufte Rezensionen sind nicht nur unter Amazon Sellern bekannt, sondern schon in der breiten Bevölkerung angekommen. Viele Kunden wissen gar nicht mehr, ob sie den Rezensionen unter Produkten vertrauen können oder nicht. So etwas hemmt die Kaufentscheidung. Grund dafür sind Unternehmen, die ihr Business darauf aufgebaut haben, positive Rezensionen gegen Geld anzubieten. Da dies aber in den Terms of Service von Amazon ausdrücklich verboten wurde, versuchen sie durch geändertes Vokabular dieses Verbot zu umgehen. Dann wird nicht von Rezension, sondern von Bewertung gesprochen. Unerlaubt bleibt es aber trotzdem. Daher der gut gemeinte Rat von Michael Frontzek – einfach nicht machen. Lieber eine eigene Community über Social Media aufbauen.

Darüber hinaus gibt es Plattformen, auf denen man seine Produkte vorstellen kann, um daraufhin neutrale Bewertungen zu erhalten. Dies ist vollkommen in Ordnung, da diese bei Fehlern eben auch negativ ausfallen können. Eine dieser Bewertungsplattformen ist Amazon eigenes Vine Programm. In dem „Club der Produkttester“ werden vertrauenswürdigen Kunden dazu eingeladen, neue, noch nicht veröffentlichte Produkte zu testen und zu bewerten.

Amazon Account gesperrt – Was nun?

Wie der weitere Prozess von Beratungsfirmen, wie MiTou aussieht, hängt immer vom Verstoß ab. Viele Händler stehen bei einer Sperrung verloren auf weiter Flur, da sie nicht wissen, wieso Amazon ihren Händler Account gesperrt hat.

Liegt es an der schlechten Lieferungsrate? Gab es Überverkäufe? Steht gar an ein Plagiatsvorwurf im Raum? Manchmal sind es sogar zwei oder drei Vorwürfe gleichzeitig. Frontzek und sein Team versuchen im ersten Schritt also erst einmal zu verstehen, was genau passiert ist und welche Vorwürfe erhoben wurden. Mit teilweise überraschenden Ergebnissen. Beispielsweise, wenn eine Amazon Accountsperrung wegen Beleidigung des Kunden Supports vollstreckt wurde.

Fragen, die sich MiTou also stellt, sind:

  1. Was ist passiert?
  2. Wie sieht der Account aus?
  3. Wie sehen die Metriken aus?
  4. Wie sieht die Kundenzufriedenheit aus?
  5. Ist der Account komplett gesperrt?
  6. Kann man überhaupt noch rein oder gar nicht mehr rein?
  7. Darf man noch verkaufen oder nicht?
  8. Geht es nur darum, dass das Geld eingefroren ist? Soll der Account eh geschlossen werden?

Sind alle wichtigen Informationen gesammelt, entwickelt Frontzeks Team einen genauen Masterplan, wie sie vorgehen, um Dinge widerlegen oder erklären können. Amazon ist bei den Erklärungen sehr penibel und möchte genau wissen, was genau und warum etwas passiert ist. 100 prozentige Wahrheit und Offenheit ist ein Muss. Und bestenfalls alles zusammen in einer Erklärung. Denn je häufiger man Amazon wegen seines Maßnahmen-Plans kontaktiert, desto schlechter steht man bei ihnen in der Kreide. Bei über 250.000 Accountsperrungen in einem Jahr wenig verwunderlich.

Deal or No Deal – Wie bekommt man den Account wieder freigeschaltet?

Vorteil für Händler: Das Bundeskartellamt hat mittlerweile vorgegeben, dass Amazon mindestens 30 Tage im Voraus dem Händler Bescheid geben muss, wenn ihm eine Accountsperrung droht. Denn beabsichtigt oder nicht – Accountsperrungen bedeuten für beide Seiten der Anklageschrift Arbeit und Kosten. Um diese so gering wie möglich zu halten, arbeitet Michael Frontzek und sein Team besonders schnell und strukturiert.

Eventuell geht man mit dem einen oder anderen Amazon Manager auf einen Deal ein. Beispielsweise einigt man sich darauf, dass der Klient eine Zeit lang nur über FBA verkauft, wenn es vorher Lieferschwierigkeiten über den eigenen Warenbestand gegeben hat. Man kann dann nur hoffen, dass danach keine weiteren Vergehen zu beanstanden sind. Denn bei einem Wachstum von über 80.000 Sellern in einem Jahr ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass nicht jeder Seller das Amazon Spiel auch fair spielt. Für die Mitarbeiter von Amazon wird es sicher nicht langweilig. Und für Michael Frontzek von MiToU auch nicht.

 

Zur besseren Übersicht der Inhalte:

Zeit Thema
00:00 Intro
00:38 Michael, wie bist Du zum Thema Amazon gekommen?
02:52 Welche Gründe führen regelmäßig zu Accountsperrungen?
04:45 Black Hat Strategien und Misuse
06:45 Geistiges Eigentum, Lizenzen und Quellennachweise
09:52 Das große Thema Produktrezensionen
14:58 Wie sieht Euer Prozess im Falle einer Accountsperrung aus?
21:03 In welchen Bereichen unterstützt Ihr Amazon Händler?
23:15 Betreut Ihr auch andere Kanäle?
24:30 Handelt Ihr auch in eigenem Namen auf Amazon?
27:06 Wie kann man Dich und das Team von MiToU erreichen?

Kontaktieren könnt ihr Michael Frontzek über Facebook und die Website von MiToU: https://www.mitou.de/kontakt/

Ihr habt Fragen an uns? Postet diese gerne in die Kommentare. Wir helfen immer gerne.

Produktkonformität für Amazon Seller - Mit Caspar ter Horst von ProductIP

Produktkonformität für Amazon Seller – Von brennenden Akkus bis laute Staubsauger

Sourcing in China – Eine beliebte Strategie vieler Amazon Seller, um Produkte schnell und kostengünstig listen zu können. Die große Anzahl an Herstellern und vielfältigen Einkaufskonditionen sind dabei wichtige Faktoren für die Wahl auf das Reich der Mitte.

Doch sollte bei der vermeintlich leichten Auswahl von Herstellern und dem einfachen Einkauf der Produkte die Produktkonformität nicht außer Acht gelassen werden.

Die Produktkonformität beschäftigt sich mit EU- und Landesgesetzgebung und der Frage, ob ein Produkt allen Anforderungen genügt. Aspekte, die bei der Einhaltung eine Rolle spielen, sind:

  1. Risiken für den Verbraucher
  2. Risiken in Bezug auf die enthaltenden Stoffe im Produkt
  3. Energieverbrauch
  4. Entsorgung
  5. Recycling

Caspar ter Horst, Managing Director bei der Beratungsfirma ProductIP ist Experte auf diesem Gebiet und bringt seine Kunden in Sachen Produktkonformität auf den richtigen Weg. Denn die Folgen durch defekte, nichtkonforme Produkte können teilweise verheerend sein.

Wenn´s plötzlich brennt – Elektronikprodukte als Ursache für Wohnungsbrände

Im Jahr 2019 konnten 30 % aller Wohnungsbrände in Deutschland auf die Elektrizität zurückgeführt werden. Darunter fallen hauptsächlich alte oder fehlerhafte Elektronikprodukte. Schlechte Verarbeitung, kaputte Kabel oder einfach zu alte Geräte – ein Kurzschluss in der Elektrik kann sich zu einem großflächigen Brand ausweiten. Daher ist es wichtig, dass in Deutschland und der EU allgemein verkaufte Artikel bestimmten Richtlinien und Standards entsprechen, um diese möglichen Katastrophen verhindern zu können.

Ein Produkt, das in den vergangenen Jahren häufiger wegen Brand- und Explosionsgefahr in der nationalen Berichterstattung zu finden war, ist das Hoverboard.

Der Grund für das Entflammen der zweirädrigen Boards ist immer wieder der gleiche – der Akku.

In den Geräten – übrigens auch in Smartphones oder Kopfhörern – werden Lithium-Ionen-Akkus verbaut. Aufgrund der hohen Nachfrage dieser Akkus leidet oftmals die Qualität der Produkte. Die Herstellungsfabriken kommen der Nachfrage kaum noch hinterher und so schleichen sich durch die Überbelastung Fehler in der Produktion ein. Einer der Hauptgründe dafür ist der fehlende Schutz zwischen dem Minus- und dem Pluspol. Wird sie falsch eingebaut oder beschädigt, fangen die Akkus Feuer.

Amazon Seller, die Produkte mit solchen Lithium-Ionen-Akkus im Sortiment führen, sollten daher ein besonderes Augenmerk auf die Konformität ihrer elektronischen Produkte legen.

Produkt: Gartenmöbel – Kann man da was falsch machen?

Ein Beispiel, bei dem die Konformität des Produkts auf den ersten Blick keine große Rolle zu haben scheint, sind Holzmöbel. Doch wird das falsche Holz verwendet, kann es für den Händler teuer werden.

2013 wurde die EU Timber Regulation (Holzhandelsverordnung) ins Leben gerufen, die in der EU den Verkauf von Holz und Holzprodukten aus illegaler Rodung verbietet.

Caspar ter Horst erinnert sich an einen Fall, der sich vor ein paar Jahren in den Niederlanden ereignet hat. Dort hatte sich nämlich ein Händler Möbel aus Holz importieren wollen, welches nach seinem Wissen aus Brasilien stammt. Bei einer Isotopenuntersuchung kam aber heraus, dass dieses Holz nicht aus Südamerika, sondern aus Myanmar in Asien stammt, woher der Import von Holz strengstens verboten ist. Dies hatte zur Folge, dass dem Händler die Produkte abgenommen wurden und er eine Strafe zu zahlen hatte, die dem Warenwert entsprach.

Daher ist es immer ratsam amtliche Dokumente über die Herkunft seiner Rohstoffe zu führen, um bösen Überraschungen bei der Zollkontrolle aus dem Weg zu gehen.

Elektrogeräte und ihre Energieeffizienz – Von der LED-Lampe bis zum Staubsauger

Selbstverständlich versuchen auch Händler ihre Produkte besser darzustellen, als sie eigentlich sind. Besonders berühmt dafür sind die Energieeffizienzen von Kühlschränken, Spülmaschinen oder LED-Lampen. Laut Stiftung Warentest verbrauchen LED-Lampen durchschnittlich 4,6 Prozent mehr Strom als auf der Verpackung angegeben.

Ein anderes Gerät, bei dem die Watt Leistung als Marketing Argument genutzt wird, ist der Staubsauger. Vor einigen Jahren gab es in der Presse einen Aufruhr, da die EU die sogenannten Ökodesign-Anforderungen festgesetzt hat, in denen steht, dass Staubsauger ab sofort nur noch eine Leistung von 900 W haben dürfen und der Schallleistungspegel 80 dB nicht überschritten werden darf. Der Grund? Staubsaugerleistungen über dieser festgelegten Grenze bringen nur mehr Lärm als Leistung.

Der Handel wird durch diese Gesetzgebung zwar um ein Verkaufsargument beraubt, der Endverbraucher spart aber wertvolles Geld beim Stromverbrauch.

Produktkonformität auf EU-Ebene – Grundvoraussetzungen sind gleich

Grundsätzlich gilt, dass ein Produkt, das man in Deutschland auf den Markt bringt, auch in Spanien verkauft werden kann. Denn die EU betrachtet alle Mitgliedsstaaten zusammen als eine große Ökonomie, in der besonders die mittelständischen Unternehmen, die 70 % aller Arbeitsplätze stellen, geschützt werden müssen. Daher sind grundsätzliche Konformitätsvorschriften überall gleich. Erst wenn es auf die Eignung der jeweiligen Infrastruktur des Landes ankommt, können sich die Produkte unterscheiden – bspw. verschiedene Steckdosen, unterschiedliche Funk-Frequenzen oder Wasseranschlüsse.

Auch Warnungen und Hinweise werden in der jeweiligen Amtssprache des Landes auf die Verpackung gedruckt.

Sollten in Bezug auf die Produktkonformität Änderungen in Kraft treten, hat Caspar hat für Händler einen wertvollen Tipp:

Wird von der EU eine Änderung festgelegt, ist man als Händler gut beraten, sich zuallererst auf die Produkte mit dem meisten Umsatz zu konzentrieren und diese dahingehend zu optimieren. Wenn die Produkte für die Zukunft gut aufgestellt sind und wie gewohnt den notwendigen Umsatz einfahren, können die „kleineren“ Produkte optimiert werden.

Fazit

Sollte sich ein Amazon Seller bei dem Thema Produktkonformität nicht auskennen, steht Caspar ter Horst und sein Team von ProductIP gerne zur Verfügung. Denn für Caspar ist eins klar:

Als kleiner Händler unter dem Radar zu fliegen und Konformitätsrichtlinien zu unterwandern, ist keine gute Idee. Aufgrund der vielen Gesetze und Amazon Regularien, kontrollieren auch Fulfillment Center vermehrt die Produkte auf ihre EU-Tauglichkeit, um bei Verstößen selbst nicht haften zu müssen.

Außerdem ist jeder Händler gleichzeitig auch selbst Kunde von zahlreichen Produkten. Und wer will schon ein brennendes Haus aufgrund von schlechter Qualität und fehlender Produktkonformität? Letzten Endes sitzen doch alle im gleichen Boot.

 

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Zeit Thema
00:00 Intro
00:35 Was ist Produktkonformität?
01:43 Caspar, wie bist Du zum Thema Product Compliance gekommen?
03:45 Für US Amazon Seller ist Product Compliance ein großer Sorgenpunkt. Warum ist das Thema Produktkonformität in Europa weniger präsent?
05:50 Beispiel: Lithium-Ionen-Akkus – Was kann schiefgehen?
07:45 Beispiel: Gartenmöbel – Was dürfen Hersteller nicht übersehen?
09:51 Warum sind Energielabel oft zu grün?
12:46 Über Amazon international verkaufen – Viele Länder, viele unterschiedliche Regelungen?
15:44 In zwei Jahren ändert sich vieles – Wie entspannt kann man sich bis dahin zurücklehnen?
17:50 Unterschiedliche Produkte, unterschiedliche Anforderungen – Wie kann man den Überblick behalten?
20:12 Können kleinere Amazon Händler darauf spekulieren unter dem Radar zu fliegen?
22:55 Können ausländische Händler die Regularien umgehen?
29:43 Prüfen Händler die Compliance vor jeder Bestellung? Wie sieht die Praxis aus?
30:55 Macht Compliance den Handel langsamer?
33:59 Caspar, wie kann man dich kontaktieren?

Kontaktieren könnt ihr Caspar ter Horst und das Team von ProductIP über:
https://www.productip.de/#contact

Der Link zu den Compliance Tuesday Sessions:
https://www.productip.de/compliance-tuesday

Ihr habt Fragen an uns? Postet diese gerne in die Kommentare. Wir helfen immer gerne.

Juristische Fehler im Amazon Handel - Dr. Thomas Engels im Interview

Dr. Thomas Engels über juristische Fehler im Amazon Handel

Ein eigenes Business aufzubauen und zu führen ist für viele Menschen ein Traum, der oftmals nicht in Erfüllung geht. Angst vor Versagen, vor dem Finanzamt oder zu viel Bürokratie hemmt viele Leute den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Denjenigen, die sich diesen Schritt getraut haben, öffnet sich eine neue Arbeitswelt mit anderer Arbeitsweise und ganz anderen Pflichten.

Besonders Händler auf der Onlineplattform amazon.de können von Vorschriften und Fehlern, die man tunlichst vermeiden sollte, ein Lied singen. Markenrechte, Designrechte, Urheberrechte – nur um mal ein paar Dinge zu nennen, über die man sich als Amazon Seller kontinuierlich informiert sein sollte. Verletzt man eines dieser Rechte, flattert schnell mal ein anwaltliches Abmahnungsschreiben in den Firmenbriefkasten.
Ein Mann, der unter anderem solche Abmahnungsschreiben verfassen muss, um die Interessen von Händlern zu wahren, und sich mit dem Thema „Gewerblicher Rechtsschutz“ bestens auskennt, ist der Fachanwalt Dr. Thomas Engels.

Von fehlender Produktkonformität bis zu irreführenden Werbeslogans – Dr. Engels zeigt auch als Berater seinen Mandanten jede Kleinigkeit auf, die man auf der Onlineplattform falsch machen kann.

Im Interview mit Michael Hecker spricht  Thomas Engels drei unterschiedliche Themenfelder an.

1. Listingfehler – Mit Zertifizierungen in die Irreführung

DIN-Normen, Zertifizierungen, CE-Geprüft – Im eigenen Listing mit Normen und Zertifizierungen zu werben erscheint im ersten Augenblick als eine simple verkaufsfördernde Maßnahme. Doch sollte man dabei immer im Blick haben, was man mit einem CE-Geprüft aussagt und was es wirklich bedeutet.

Das Siegel CE-Geprüft sagt beispielsweise aus, dass der Hersteller bzw. Inverkehrbringer in eigenem Ermessen erklärt, dass das Produkt den geltenden Anforderungen genügt. Das CE-Kennzeichen ist daher kein Qualitätssiegel. Es ist die reine Grundvoraussetzung, dass das jeweilige Produkt überhaupt in Europa verkauft werden darf.

Dem Käufer wird mit dem speziellen Hinweis auf das CE-Geprüft Siegel aber suggeriert, dass es sich dabei um eine besondere Qualität oder ein besonders sicheres Produkt handelt. Das ist irreführend und kann mit einer Abmahnung bestraft werden.

Wichtig nur für die eigenen Unterlagen: Jeder Händler muss für die jeweilige Charge des Produkts eine Konformitätserklärung abgeben, worin steht, dass der Artikel allen EU-Richtlinien entspricht. Für diese Dokumente gelten zehn Jahre Aufbewahrungspflicht.

Prüfnormen fallen ebenfalls in diese Kategorie. Kinderspielzeug beispielsweise benötigen als Basisanforderung für den Vertrieb in der EU das Prüfzeichen EN71. Diese Norm in seiner Description zu nennen ist zwar nicht verboten, aber man muss die Bedeutung davon erklären, sodass es nicht werblich, sondern informativ gemeint ist. Doch bei maximal 2.000 freien Zeichen ist der Platz für solche Erklärungen meist sehr begrenzt.

 

Die unverbindliche Preisempfehlung

Diesen Begriff hat sicher schon jeder Mensch einmal in irgendeiner Werbung gehört. Damit aber einfach so zu werben, kann ebenfalls einige Stolpersteine bereithalten. Denn auch hier muss der Händler wissen, was die unverbindliche Preisempfehlung eigentlich bedeutet und was dafür nötig ist, um diese auszurufen.

Die unverbindliche Preisempfehlung wird vom Hersteller, also dem Private Label Seller“ an den Handel gegeben.

Um diese abgeben zu können, muss man als Hersteller vorab schon einmal eine Preisempfehlung ausgesprochen haben. Als Private Seller auf Amazon ist das aber meistens nicht der Fall, da man für gewöhnlich erst einmal im Eigenbetrieb auf der Plattform unterwegs ist, anstatt Preisempfehlungen auszusprechen. Daher ist es unzulässig damit zu werben.

Ein weiterer Fehler im Bezug auf Preisempfehlungen ist einer, den noch immer einige Händler machen. Wenn man aus seinem Preis einen Streichpreis macht – also einen vorherigen Preis durchstreicht, einen neuen darunterschreibt und mit dem Preisnachlass wirbt.

Dabei vergessen aber viele, dass Produktpreise leicht automatisiert ausgelesen werden können und somit leicht nachvollziehbar ist, zu welchen Preisen das Produkt effektiv angeboten wurde. Ist über einen gewissen Zeitraum keine Preisänderung zu erkennen und wird dennoch mit einem Streichpreis geworben, ist das Irreführung und kann abgemahnt werden.

Das Wettbewerbsrecht gibt vor, dass ein Preis über einen angemessenen Zeitraum gefordert werden muss, bevor man mit ihm als gestrichenen Preis wirbt. Dieser Zeitraum ist nicht klar definiert und kommt immer auf den Einzelfall an. Dr. Engels rät jedoch dazu, dass man grundsätzlich zwei bis drei Monate einen Preis gefordert haben sollte, um auf der sicheren Seite zu sein.

2. Die Grundpreise – pro Gramm oder pro Stück?

Im deutschen Gesetz ist die Preisangabenverordnung verankert, mit der Preisklarheit und Wettbewerb gefördert werden soll und die Händler zur Grundpreisangabe zwingt.

Die Grundpreisangabe kann dabei unterschiedlich ausfallen. Denn der Grundpreis einer Tapete verhält sich anders als der Grundpreis von Kaffeepulver.

Beispiel Kaffee:

Kaffee wird in den meisten Fällen als Pulver verkauft. Deshalb muss man als Händler von Kaffeekapseln die Nettofüllmenge des darin enthaltenen Kaffeepulvers angeben.

Allgemein gibt es drei wichtige Fragen, die man sich zum Thema Grundpreise stellen muss:
  • Wann muss ich einen Grundpreis angeben?
  • Was muss ich tun, wenn etwas bei der Grundpreisangabe schiefgelaufen ist?
  • Was muss ich tun, wenn ich auf einer Verkaufsplattform diesbezüglich schon einmal abgemahnt wurde?

Zu den beiden letzteren Fragen hat Thomas Engels einen gut gemeinten Rat für jeden Amazon Seller.

Niemals sollte man eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Denn in der Seller Central von Amazon kann schnell mal etwas schief gehen, wofür man als Händler eventuell in diesem Moment nichts konnte. Und man kann auch nicht garantieren, dass solche fehlerhaften Angaben, die automatisch von Amazon angegeben werden, nie wieder passieren. Unterschreibt man aber ein Dokument, in dem man das versichert und es kommt erneut vor, steht man schnell vor vierstelligen Vertragsstrafen, die besonders kleinere Händler in große Schwierigkeiten bringen können.

Also sollten Händler immer im Blick haben:
  • Was kann die Onlineplattform alles tun und macht dies auch selbstständig?
  • Was kann ich auf der Plattform selbst beeinflussen?
  • Und was davon kann ich auf etwaige Fehler überwachen?

Denn als Händler auf Amazon weiß man, dass Listing-Informationen durch Dritte geändert werden können. Daher ist jeder Händler auf der Plattform in einer Überwachungs- und Prüfpflicht.

Ein weiterer Rat von Dr. Thomas Engels:

Man sollte zu jederzeit einkalkulieren, dass sich im Bezug auf die Grundpreisangaben kleine Fehlerteufel einschleichen können, für die man abgemahnt wird und eine Strafe zahlen muss. Im Zuge der Kalkulation ist also ein gewisses Budget in der Hinterhand nicht verkehrt, da ab einer bestimmten Anzahl an Produkten im Sortiment niemand zu 100% versprechen kann zu jederzeit rechtssicher zu handeln.

3. Produktrezensionen

Das Thema Produktrezensionen beschäftigt die Händler-Community schon seit langer Zeit. Amazon kämpft immer stärker gegen das Kaufen von positiven Kundenrezensionen, da diese ja selbstverständlich auch eine große Auswirkung auf den Verkaufserfolg haben. Das Oberlandesgericht in Frankfurt hat im Zuge der Bekämpfung von falschen Kundenrezensionen dem Betreiber einer Agentur für genau diese Dienstleistung das Geschäft verboten.

Dass gekaufte Kundenrezensionen verboten sind, ist sicher jedem klar, da es sich dabei um Schleichwerbung handelt. Aber auch das Erbitten in der Rechnungsmail oder gar direkt auf der Rechnung, sind ebenfalls nicht erlaubt.

Genauso verhält es sich bei Produktbeileger in den Sendungspaket. Zwar nicht aus juristischer Sicht, aber aus der Sicht von Amazons „Terms of Service“, in der das Beilegen von Flyern mit der Bitte um eine Rezension als nicht erlaubt deklariert ist.

 

Fazit:

Der Schritt in die Selbstständigkeit als Amazon Händler birgt viele kleine und große Stolpersteine, die es zu umgehen gilt. Auch wenn man sich im Wettbewerbsrecht immer an die Vorschriften halten möchte, ist niemand vor Fehlern gefeit. Eine ausführliche Rechtsberatung kann in diesem Fall eine gute Möglichkeit sein, um schon vor dem Listing übliche Fehler auszumerzen und mit gutem Gewissen in den Handel zu starten.

Für Rechtsfragen steht Dr. Thomas Engels gerne zur Verfügung.

Habt Ihr weitere Fragen an uns? Postet diese gerne in die Kommentare. Wir helfen immer gerne.

 

 

 

 

Zur besseren Übersicht der Inhalte:

Zeit Thema
00:00 Intro
01:06 Thomas, wie bist Du zur Juristerei gekommen?
03:10 Zur Abgrenzung: Auf welche Rechtsgebiete bist Du spezialisiert?
04:56 Listing-Fehler: DIN-Normen und CE-Kennzeichnung
09:18 Listing-Fehler: Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) und Streichpreise
12:13 Listing-Fehler: Grundpreise und die Preisangabenverordnung (PAngV)
17:13 Überwachungs- und Prüfpflichten von Amazon Händlern
24:50 Stichwort: Buy Box Wettbewerb
Wie lassen sich Listings abgrenzen / monopolisieren?
29:08 Stichwort: Kundenrezensionen
Was ist erlaubt und was ist verboten?
40:41 Thomas, wie kann man dich kontaktieren?

Die Kontaktdaten von Thomas findet Ihr unter:
lexea.de/kontakt.html

Abschließend möchten wir noch Stefan Grimm und Kerstin Manke für die Organisation der IAW und die Einladung zur E-Commerce Arena danken.

Ihr habt Fragen an uns? Postet diese gerne in die Kommentare. Wir helfen immer gerne.