Restposten, Risikobereitschaft und die Kunst der Verhandlung – Im Gespräch mit Stefan Grimm von restposten.de
Für Ottonormalverbraucher findet Shopping schon lange nicht mehr im Einzelhandel vor Ort statt. Auch wenn sich viele bemühen, den Wandel zu stoppen, verschiebt sich der Handel weiter und weiter ins World Wide Web.
Für Kunden ist das an Bequemlichkeit und Schnelligkeit nicht zu toppen. Doch wie sieht es im Hintergrund aus? Findet der Handel zwischen Ein- und Verkäufern von großen Mengen ebenfalls nur noch online statt?
Einer, der das weiß, ist Stefan Grimm. Mitgründer des B2B Marktplatzes restposten.de.
Ein Online Handelsplatz für diejenigen, die sich nicht für Einzelstücke interessieren, sondern in Paletten denken. Ein Geschäft mit hohen Stückzahlen, persönlichen Verhandlungen und kalkulierten Risiken.
Restpostenhandel – ein Geschäft mit kalkulierten Risiken
Stefan Grimm kennt dieses harte und schmutzige Geschäft, wie er selbst sagt.
Selbst als Postenhändler angefangen, hat er sich bereits 1997 mit zwei Kollegen dazu entschlossen, einen Online Handelsplatz für Überhänge anzubieten und gründete so restposten.de. Ein reiner B2B Marktplatz, lang vor der Zeit von „One-Click-Käufen“.
Doch trotz der Digitalisierung findet der Hauptteil des Ein- und Verkäufer-Geschäfts persönlich und via Telefon statt. Direktkontakt ist hier das Stichwort, und worauf es laut Grimm am meisten ankommt.
„Man muss bereit sein, Risiken einzugehen. Ich muss ein Killer Gen haben, muss in den Preishandel gehen und als Einkäufer dem Verkäufer auch auf den Zahn fühlen“, sagt er. „Man muss den Verkäufer anrufen und fragen: Was ist an dem Produkt? Wieso ist es ein Posten? Wie groß ist der Gesamtposten?“
Dieses Killer Gen verlieren viele Amazon Händler seiner Meinung nach. Denn viele von ihnen wollen eben keine Risiken eingehen, wollen alles automatisiert haben und denken zu technisch. Nach Grimms Meinung, ist für solche Leute der Postenhandel nichts.
Von einem zu wenig, vom anderen zu viel und immer diese Retouren
Doch was ist, wenn man in den Restposten Handel einsteigen möchte? Auf was muss man sich einstellen?
Für Grimm gibt es im Handel drei zentrale Wahrheiten:
- Jeder, der handelt, hat von seinen guten Artikeln zu wenig
- Von schlechten Artikeln hat man immer zu viel
- Wer etwas versendet, bekommt etwas zurück
So. Und was passiert mit Ware, die nicht an den Mann oder die Frau gebracht werden konnte, weil beispielsweise die Saison vorbei ist oder das Produkt eines Konkurrenten mehr Features hat? Fakt ist, es muss Warenbewegung da sein. Denn Plätze in den Lagern sind begrenzt und neue Produkte stehen schon in den Startlöchern. In diesem Fall ändert sich der Absatzkanal und man verkauft an andere Händler.
Für den Einkäufer bieten sich dabei verschiedene Chancen.
Man kann Restposten und Überhänge beispielsweise nutzen, um den Kunden Produkt-Bundles anbieten zu können. Wenn man beispielsweise Messer verkauft und dann über einen Restposten an Schneidebretter kommt, hat man ein super Kundengeschenk, eine gute Kundenaufwertung für wenig Geld und der Verkäufer ist froh, dass er sie los ist.
Restposten – Kein Handel mit Artikeln, sondern mit Margen
Doch wenn man mit den gekauften Restposten Geld verdienen möchte, gibt es wieder etwas, das man unbedingt beachten muss, weiß Grimm.
„Wenn ich Posten kaufe, dann kaufe ich sie ganz! Wenn es von einem Produkt 5.000 Stück gibt, dann bringt es mir nichts, wenn ich davon nur 1.000 kaufe und vier andere auch. Dann habe ich wieder BuyBox Wettbewerb und habe eigentlich nichts gewonnen.“ Das führt nämlich wieder zu Wettbewerb und Preisdruck. Wenn man also die finanziellen Möglichkeiten hat den kompletten Bestand zu kaufen, dann sollte man es auch tun. So erhält man die Preishoheit über den Artikel.“
Wie Grimm gerne sagt: „Man handelt nicht mit Artikeln, sondern mit Margen“.
Der Handel mit Restposten. Auch in Zeiten von Digitalisierung und Online Shopping noch immer ein Geschäft, dass von persönlichen Verhandlungen und den richtigen Strategien lebt.